Gestern Abend – einem Montag – besuchte ich mit meiner Gastfamilie den Hanuman Tempel in Neu Delhi. Die Wahl des richtigen Wochentags ist wichtig. So gilt z. B. der Dienstag Lord Hanuman gewidmet und das gesamte Gelände ist an einem solchen Wochentag hoffnungslos überfüllt.
Die Geschichte des Tempels
Der Hanuman Tempel gehört mit zu den ältesten Tempeln der Region. Beim genauen Alter vermischen sich jedoch Wahrheit und Legenden. Eine Quellen behaupten sogar, dass er aus dem 4. Jhd. v. Chr. stammen könnte. stammt. Durch ständige Umbaumaßnahmen erhielt er seine heutige Form in der neben dem Jungen Hanuman auch anderen Göttern wie Rama, Sita und Lakshman, Krishna und Radha, Shiva und Parvati, Durga, Lakshmi Narayan und Ganesha sowie Santoshi Mata gehuldigt wird. Diese Verehrung von mehreren Gottheiten in einem einzigen Tempel ist im Hinduismus keine Seltenheit.
Der eigentliche Besuch
Beim barfüßigen Eintreten in den Tempel berührt ich zunächst ehrfürchtig die Stufen und schreite durch die silberbeschlagenen, mit Szenen aus dem Ramayana verzierten Türen in einen Vorraum.
Um seinen Besuch den Göttern anzukündigen schlage ich – so wie es meine Gastfamilie vormacht – eine der vielen Glocken an und betrete das Allerheiligste des Tempels in dem ein verhülltes Abbild von Lord Hanuman zu finden ist. Allerdings bedeckt ein Tuch das seitliche Abbild, so dass nur ein einzelnes Auge zu erkennen ist. Hier angekommen steht es nun jedem frei nach seiner Fassion zu beten. Dies kann vom schweigend Sitzen bis hin zum lauten Preisen von Lord Hanuman reichen. Ein Priester bietet mir heiliges Wasser an und nach einer kleinen Spende malt er mir mit seinem Daumen einen Punkt auf die Stirn (Tilaka) und erteilt mir seinen bzw. Lord Hanumans Segen. Das dargereichte Wasser fange ich in der holen Hand auf und Schlürfe es hinunter . So viel zu den „Trinke nie ungefiltertes Wasser“-Hinweisen aus den Reiseführern. Aber die Götter werden mich schon beschützen.
Jetzt gilt es die im gleichen Raum bzw. in den angrenzenden Räumen befindlichen Statuen der anderen Götter aufzusuchen und auch bei ihnen im kurzen Gebet zu verharren. Auf dem Weg entdecke ich immer wieder Bildnisse von Hanuman oder Darstellungen aus dem Ramayana.
Unzählig viele Götter
Da es im Hinduismus unzählige Versionen von bedeutsamen Ereignissen gibt, erhält man, je nach Begleiter, auch verschiedene Interpretationen der Bildnisse. Dies stellt für Hindus aber keinen Widerspruch dar, da sich Götter in vielfältiger Gestalt zeigen und für mehrere Gottheiten auch mehre Namen gebräuchlich sind, so dass es zwangsläufig zu Überschneidungen kommen muss.
Auch lerne ich den Unterschied zwischen der körperlosen Gestalt Shivas und seiner Verkörperung als Shankar kennen. Nach 4 Jahren Indienaustausch ist ein Tempelbesuch immer noch eine Offenbarung, da alles bisher gelernte immer wieder auf die Probe gestellt wird.
Glücklich verlassen meine indische Gastfamilie und ich den Tempel, ziehen uns die Schuhe an und lassen uns noch einige örtliche Spezialitäten von einem der zahlreichen Streetfoodständen schmecken bevor es zum Gurudwara Bangla Sahib weiter geht.